Kann ich in der Stillzeit schwanger werden?

Kathrin Stillen 9 Kommentare

Ja! Stillen allein ist keine zuverlässige Verhütungsmethode. Es stimmt zwar, dass fast alle vollstillenden Frauen in den ersten drei bis sechs Monaten (manchmal sogar länger) keine Menstruation haben. Doch wer eine erneute Schwangerschaft sicher ausschließen will, sollte nach Abklingen des Wochenflusses schwangerschaftsverhütende Maßnahmen ergreifen.

Was heißt vollstillen?

„Volles Stillen bedeutet, dass der Säugling ausschließlich Muttermilch (auch keinen Tee oder Wasser) zu sich nimmt und sein Saugbedürfnis nur an der Mutterbrust stillt.“[1]  

Laktationsamenorrhoe
(durch Stillen bedingtes Ausbleiben der Menstruation)

Wer sein Kind häufig (nach Bedarf) stillt, wird sehr wahrscheinlich mehrere Monate nach der Geburt keinen Eisprung und keine Menstruation haben. Das hat die Natur so eingerichtet, damit Mütter sich in Ruhe um ihre frischgeborenen Sprösslinge kümmern können. „In Kulturen, in denen Babys natürlich gestillt werden und Muttermilch im ersten Lebensjahr die Hauptnahrungsquelle des Säuglings darstellt, beträgt der Abstand von Kind zu Kind ohne Anwendung zusätzlicher Verhütungsmaßnahmen etwas 1,5 bis zwei Jahre.“[2]

Wie das funktioniert? Das regelmäßige Saugen des Babys bewirkt die Ausschüttung des Stillhormons Prolaktin, welches einerseits die Milchbildung ankurbelt und andererseits den Eisprung unterdrückt (siehe Wie wirkt Prolaktin?). Die Menstruation bleibt aus. Die unfruchtbare Zeit wird durch das Stillen natürlich verlängert. Dieser biologische Vorgang heißt Laktationsamenorrhoe.

Natürliche Schwangerschaftsverhütung: Lakto-Amenorrhoe-Methode (LAM)

Zahlreiche Studien belegen die verringerte Fruchtbarkeit durch das Stillen. Wann genau der Eisprung bei stillenden Müttern einsetzt, variiert allerdings von Frau zu Frau. Bei manchen bereits wenige Wochen nach der Geburt, bei mir nach neun Monaten und bei anderen dauert es bis zu 2,5 Jahren.[3]

Fachleuten gelang es durch Untersuchungen verschiedener Kulturen rund um die ganze Welt, die sogenannte Lakto-Amenorrhoe-Methode zu entwickeln. In anderen Worten: Stillen kann unter streng und genau einzuhaltenden Regeln und Voraussetzungen den Eisprung in den ersten sechs Monaten zu 98% verhindern.

Die Lakto-Amenorrhoe-Methode ist wirksam, wenn

  • Neugeborene sofort nach der Geburt angelegt werden und häufig rund um die Uhr an der Brust saugen
  • keine Flaschen, Schnuller oder Stillhütchen benutzt werden
  • innerhalb der ersten sechs Monate NICHT zugefüttert wird
  • die Zeitabstände zwischen den Stillmahlzeiten nachts nicht über sechs Stunden und tagsüber nicht über vier Stunden liegen
  • die Mutter noch keine Menstruation hatte
  • das Kind nicht älter als sechs Monate ist
    (Lothrop, Hanna: Das Stillbuch (2000), 218./ La Leche Liga: Das Handbuch für stillende Mütter (2001), 339.) 

Der Haken an der Lakto-Amenorrhoe-Methode

Das Problem in unseren Gefilden ist, dass die wenigsten Mütter vollstillen beziehungsweise, dass die wenigsten Mütter, die oben genannten Voraussetzungen erfüllen. Muttermilch wird abgepumpt im Fläschchen gereicht, damit Mütter etwas Zeit für sich gewinnen und auch der Schnuller kommt in vielen Haushalten regelmäßig zum Einsatz. Manche stillen nach vorgegebenen Zeitabständen statt nach Bedarf oder füttern abends/ nachts ein Fläschchen. Ab dem vierten Monat fällt laut Babynahrungsherstellern der Startschuss für die Beikosteinführung. All diese Beispiele begünstigen die Fruchtbarkeit der Frau, denn „eine merkliche Reduktion der Saugzeit an der Brust beeinflusst den Hormonspiegel, wodurch der Zyklus wieder einsetzen kann.“[4] 

Fruchtbare Tage am Ausfluss (Zervixschleim) erkennen

Die Sicherheit von LAM wird erhöht, wenn du in der Lage bist, dein Scheidensekret (Zervixschleim) richtig zu deuten. „Während der „sicheren Zeit“ ist die Scheide meistens sehr trocken oder zumindest verändert sich der Schleim nicht. Wenn nun ein Scheidensekret einsetzt oder sich verändert, ist dies ein Anhaltspunkt für den nahen Eisprung.“[5] Wenn der Zervixschleim in Bezug auf Konsistenz und Aussehen einem rohen Eiweiß gleicht, dann bist du am fruchtbarsten. Hier gibt es eine sehr hilfreiche Bildgalerie, durch die ich lernte, meine fruchtbaren Tage anhand des Zervixschleimes zu erkennen.

Schwanger ohne Menstruation?

Und das führt uns direkt zum Hauptproblem: Es ist möglich ohne Menstruation schwanger zu werden – da der Eisprung vor der ersten Regelblutung stattfinden kann (siehe Wie ihr Menstruationszyklus abläuft).

Mal angenommen du wirst im fünften Lebensmonat deines Babys fruchtbar, weil du nachts nicht mehr so häufig stillst oder eben zu den 2% gehörst, bei denen die Lakto-Amenorrhoe-Methode nicht funktioniert. Wenn du in dieser fruchtbaren Zeit (etwa zwei Wochen vor der Menstruation erfolgt in der Regel ein Eisprung) nicht verhütest, besteht eine realistische Chance, dass sich eine Schwangerschaft einstellt. Dann wirst du direkt mit dem ersten fruchtbaren Zyklus nach der Geburt schwanger, ohne es zu ahnen!

Fazit

Die „Lakto-Amenorrhoe-Methode“ scheint bei vollstillenden Frauen in den ersten sechs Monaten zu 98% zu funktionieren. Falls du die oben angegebenen Vorraussetzungen für diese Methode jedoch nicht erfüllst und auf keinen Fall schwanger werden möchtest, solltest du dich besser um alternative Verhütungsmethoden kümmern (siehe Verhütung in der Stillzeit).

 

Footnotes    (↵ returns to text)

  1.  La Leche Liga: Das Handbuch für stillende Mütter (2001), 338.
  2.  Lothrop, Hanna: Das Stillbuch (2000), 217.
  3.  La Leche Liga: Das Handbuch für stillende Mütter (2001), 339.
  4.  La Leche Liga: Das Handbuch für stillende Mütter (2001), 340.
  5.  Lothrop, Hanna: Das Stillbuch (2000), 218.
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