Der kleine Bub ist nun fast drei Wochen alt und ein recht genügsames Kerlchen. Er schläft viel und wirkt ruhig und zufrieden. Sein Stimmchen erhebt er nur, wenn er bei kälteren Raumtemperaturen gewickelt wird, wenn er Hunger hat, ihn Blähungen quälen oder er nicht einschlafen kann.
Mittlerweile weiß ich zum Glück, dass es unmöglich ist, so ein kleines Menschlein durch Nähe und Körperkontakt zu verwöhnen und so gebe ich ihm davon so viel er möchte. Ich stille ihn nach Bedarf, an manchen Abenden gefühlt stundenlang. Ich halte ihn und trage ihn im Tragetuch, wenn er sich unwohl fühlt. Und er darf nachts neben mir schlafen – entweder eng an mich gekuschelt, oder an meiner Brust bzw. auf meinem Bauch.
Bei unserem Mädchen traute ich mich all das nicht. Es hieß, dass Babys von Beginn an in ihrem eigenen Bettchen schlafen sollten – das sei sicherer und sorge dafür, dass sie früh lernen alleine durchzuschlafen. Mir wurde gesagt das Baby an der Brust einschlafen zu lassen, führe zu schlechten Einschlafgewohnheiten. Es sei besser das Stillen vom Einschlafen zu trennen und stattdessen einen Schnuller oder andere Einschlafhilfen zu benutzen. Mir wurden überhaupt sehr viele seltsame Dinge erzählt und leider glaubte ich an all diese Ammenmärchen statt mich auf mein Gefühl und mein Herz zu verlassen.
Bei unserer Tochter quälten wir uns (und sie) in den ersten Wochen mit Schnuller, Kinderwagen, eigenem Kinderbett und allen möglichen „Mama-Ersatz-Produkten“. Ich sage quälen, weil sie all das nicht wollte, sondern nur meine und Thomas’ Nähe. Sie weinte dementsprechend sehr viel, vor allem in den Abendstunden und uns gelang es kaum, sie zu beruhigen. Bis wir irgendwann auf all die gutgemeinten Ratschläge der Außenstehenden pfiffen und ich sie einfach stillte, trug und sie in unserem Bett schlafen ließ. Von da an war Ruhe.
Dass unser Bub im Vergleich zu unserer Tochter so viel ruhiger und entspannter ist, halte ich für keinen Zufall. Denn er bekommt genau das, was Neugeborene brauchen – Nähe, Wärme, Körperkontakt und Nahrung und zwar rund um die Uhr. Genau so wie er es aus der Zeit in meinem Bauch kennt und ohne seine Grundbedürfnisse immer wieder verzweifelt einfordern zu müssen.
Wie oft dachte ich in den letzten Tagen, dass es hätte auch bei unserer Tochter so einfach sein können. Es ist ja wahrlich nicht viel, was die kleinen Würmchen brauchen, um sich geborgen, versorgt und sicher zu fühlen. Und das Verrückte daran ist, dass wir Mütter instinktiv spüren, was gut ist für unsere Babys – auch wenn sie sich nur eingeschränkt mitteilen können und wir keine „Handlungsanweisung“ für unsere Kinder nach deren Geburt erhalten. Es ist in uns drin, unsere Babys mit Berührung, Zuwendung und Aufmerksamkeit zu überhäufen, weil sie genau das zum Überleben benötigen. Doch leider unterdrücken wir diese Instinkte sehr oft, weil die vielen Stimmen von außen gerne das Gegenteil behaupten.
Einerseits stimmt es mich heute sehr traurig, dass ich bei unserem Mädchen noch wilde Einschlaf- und Beruhigungsexperimente startete, statt sie einfach auf den Arm oder an die Brust zu nehmen – wie viele Tränen hatte ich uns allen doch ersparen können… Andererseits bin ich froh, dass ich wenigstens jetzt beim zweiten Kind, ganz entspannt auf seine Bedürfnisse reagieren und ihm so einen sanften Start ermöglichen kann.
Der Kleine profitiert von den Erfahrungen, die ich bei seiner Schwester sammelte. Das ist ein großer Vorteil für ihn. Dafür erhält er nur halb so viel Aufmerksamkeit und ungestörte 1:1 Zeit mit mir wie sie. Aber das ist wohl das Los der Zweitgeborenen und ein anderes Thema 😉
Eure Kathrin
Comments 30
Hihi, zum Schluss sagst Du etwas sehr Wahres. Bei mir zuhause war ich auch die Drama Queen und mein Nachfolger Mr. Supersüß… Ist heute noch so, aber man liebt sich ja trotzdem! Das läge natürlich in Eurer Hand. Aber wem erzähle ich das, ich finde es wahnsinnig toll, wie Du auf Deine Intuition vertraust und selbst viel diskutierte Themen wie Langzeitstillen, Familienbett, Kinderwagen-oder-Tragetuch? und sogar „Gewalt bei Kindern“ so authentisch und liebevoll rüberbringst! Wunderbar zu lesen. Man wällte Deine Tochter sein oder auch das Baby. 😉
Viele Grüße, aprilwirbel
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Das hast Du sehr lieb geschrieben 🙂
Vielen, vielen Dank!
Schön, dass es bei Euch so harmonisch ist. Ich kann gut verstehen, dass man geneigt ist anzunehmen, dass die Erfüllung aller Bedürfnisse zu einem zufriedenen Kind führen. Mir ging es auch so, dass meine große Tochter leider als Baby wenig AP „abbekam“ – beim zweiten wusste ich es definitiv besser – aber geholfen hat es nicht so viel. Mein Sohn hat eine sehr schlechte Selbstregulation (immer noch) und wollte nicht getragen werden – trotz „Hardcore-AP“ war er viel zu müde, um ein ausschließlich glückliches Baby zu sein. Mittlerweile denke ich, dass das sehr viel auch mit Charakter zu tun hat. Trotzdem kann bedürfnisorientierte Erziehung natürlich einen Teil beitragen, Babys zufriedener zu machen.
Viele Grüße!
Danielle
Author
Ja, es ist natürlich auch eine Frage des Charakters und weil ich den Kleinen so über den Klee lobe, wird er seinen wahren Charakter wahrscheinlich bald zeigen 😉
GlG
Kathrin
Hallo, liebe Kathrin Du machst das schon richtig mit Deinen Kids! Klar das zweitgeborene Kind wird immer von den Erfahrungen mit dem Erstgeborenen profitieren, das erste Kind wird sich immer mehr erkämpfen müssen als folgende Kinder… Das ist überall so und wahrscheinlich auch ganz richtig so… Dafür haben die folgenden Kinder andere Nachteile (wie weniger Exclusivzeit oder aber auch das Los verglichen zu werden). Doch wir Mamas lieben alle unsere Kinder und wollen auch für alle das Beste! Ich bin selbst ein Nesthäkchen und habe es immer meine genossen, mein Mann ist der Große und fand diese Stellung toll. Wir selbst haben 2 Kinder und ich habe das Gefühl sowohl das Nesthäkchen als auch der „Große“ genießen ihre Rolle! Du wirst bestimmt auch bald merken, dass Euer Kleiner in manchen Situationen auch mal mehr zurückstecken muss, als es Eure Tochter in diesen mußte… Einfach weil es Eure Tochter einfordert. Doch mit Liebe wirst Du das alles gut machen! Und höre auf ein schlechtes Gewissen zu haben- Du hast Deinen Beiden ein wunderbares Geschenk gemacht: Sie können als Geschwister aufwachsen… Es gibt immer 3 Menschen, die Ihnen nahe stehen, das ist doch toll!!!
Author
Was für ein lieber und aufbauender Kommentar! Herzlichen Dank!!
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Danke für diesen Text. Ich habe auch einen kleinen (5-monatigen) Jungen, der sehr viel weint (anfangs noch mehr). Ich trage ihn tagsüber für seine Schläfchen immer. Abends stille ich ihn zum einschlafen. Und gerade heute musste ich mir wieder einen Vortrag anhören, wieso er denn nicht in seinem Bettchen schlafe, ob ich ihn ewig tragen wolle und dass er nachts ja auch im (Beistell-) Bettchen schlafen könne, wieso ich ihn also tagsüber nicht hinlege, er müsse das doch lernen und offenbar mache er das mit absicht etc. Und dieselbe Leier zum Stillen. Das verunsichert mich doch immer ein wenig (ok, mehr, wenn die Kinderärztin sagt, ich solle nicht zum Einschlagen stillen) und macht mich traurig.
Ich habe mich von deinem Text überhaupt nicht angegriffen gefühlt, obwohl mein Baby trotz Tragen, Nähe und Stillen weint. Leichter wäre es mit deinem Mädchen vielleicht nicht gewesen, weil es weniger geweint hätte (wer weiss das schon), aber ich denke sicher, weil du dich mit deinem Weg wohler gefühlt hättest. Deine Texte helfen mir jedenfalls die Selbstsicherheit wiederzufinden.
Liebe Celina ,
ich habe mich von meinem Kinderarzt getrennt , weil ich mir diese ewigen Vorhaltungen , über die „Schädlichkeit des Stillens im 2. Lebensjahr“ , nicht mehr anhören wollte. Sie würde nie selbstständig werden , wir würden sie nie aus unserem Bett bekommen usw usw . Ich habe ein Jahr voll gestillt u danach nach Bedarf u wir haben immer einschlafgestillt u wir tun es noch immer , es tut uns beiden gut u geht niemanden etwas an . Mittlerweile ist sie 4 Jahre u 3 Monate , ist super selbständig , aufgeschlossen , sehr sozial u liebevoll , hat keinerlei Probleme im Kindergarten . Sieschläft seit Mai ganz freiwillig in ihrem eigenen Bett , daß sie selbst ausgesucht hat und schläft seitdem auch durch .
Ich möchte dir ein bißchen Mut machen . Lass dich nicht von Anderen zu etwas überreden , wozu du nicht bereit bist .
Liebe Grüße Simone
Ich stimme voll zu und bin dankbar für solche Texte.
Aber so schade: unter der Überschrift folgt Werbung von google wir man in 7 Schritten das Kind zum durchschlafen bringt… aaahhhh….
Author
Vielen Dank für den Hinweis, Sabine!
Da ich die Webseite immer nur von „hinten“, also den Quelltext ohne Werbung sehe, entgehen mir solche Anzeigen. Ich schau mal, ob ich sie rauswerfen kann.
LG
Kathrin
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