Gemischte Gefühle: Wir beantragen das US-Visum

Kathrin New York 4 Kommentare

Am Montag hatte Thomas endlich das Gespräch mit der Anwältin, die Licht ins Visum-Dunkel bringen sollte. Ein 30 minütiges Gespräch, welches 500 Dollar kostete, by the way.

Sie klärte ihn über seine Möglichkeiten auf, aber im Grunde gibt es nur zwei. Entweder beantragt er das Standard Visum (H-1B Visum) für alle Personen mit einer akademischen Ausbildung (oder einem entsprechenden Äquivalent)“ oder ein sogenanntes „Genius Visa“ (Visum O-1), welches „ausschließlich Personen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten in spezifischen Arbeitsbereichen zur Verfügung steht“.

Egal für welches Visum sich Thomas bewirbt, er hat ein großes Problem oder Glück, je nachdem wie man es betrachtet. Er hat sich nämlich all seine Fähigkeiten selbst angeeignet, mit denen er im Moment bei seiner Firma trumpft. Er ist ein ziemlich außergewöhnlicher Autodidakt, weil er sich für viele verschiedene Gebiete interessiert (Programmierung, Fotografie, 3-D Animation, Videoschnitt und vieles mehr) und sich in jedem dieser Gebiete enormes Wissen angeeignet hat. Jedoch fehlen ihm durch sein jahrelanges Selbststudium Zeugnisse und Bescheinigungen, die belegen, dass er so ein außergewöhnlicher Typ ist.

Aber wer weiß, vielleicht gewährt uns das Land, in dem berühmte Autodidakten wie Abraham Lincoln und Steve Jobs bereits große Taten vollbrachten, dennoch Einlass. Wir werden es jedenfalls nicht unversucht lassen, darin sind wir uns einig.

Unser Schlachtplan

Plan A lautet nun das Visum O-1 (das Genius Visa) zu beantragen. Das kostet zwar 11500 Dollar, dafür können wir sofort mit der Beantragung loslegen und wir wissen bereits in wenigen Wochen, ob wir es bekommen oder nicht. Die Chance liegt bei 50% (Thomas muss nun geschickt viele, überzeugende „References“ zusammentragen) und falls es klappt, könnten wir wohl auch schon dieses Jahr einwandern. Was wir aber nicht wollen, doch das ist ein anderes Thema.

Die Anwältin meinte zwar, dass sie schon so manch schwierigen Fall durchbekommen hätte und nicht erpicht darauf wäre Mandanten zu verlieren. Aber eine 50-prozentige Chance klingt für mich nicht sehr siegessicher, da die Wahrscheinlichkeit, dass wir einen riesigen Batzen Geld einfach in den Wind schießen schließlich genau so hoch ist.

Doch nicht wir spielen Lotto, sondern Thomas’ Chef Emery, ganz einfach weil der Visum-Antrag glücklicherweise auf Firmenkosten läuft. Das heißt Thomas muss jetzt lediglich Zeit und Energie investieren, um seinen Lebenslauf aufzupolieren und dann heißt es abwarten.

Plan B greift, wenn wir das Visum O-1 nicht bekommen. Dann müssen weitere 6000 Dollar gezahlt werden, um das H-1B Visum zu beantragen. Allerdings können wir uns dafür erst im April 2017 anmelden und der Bescheid käme erst im Herbst 2017. Die Chance dieses zu bekommen liegt außerdem nur bei 30%. Wollen wir also hoffen, dass Plan A aufgeht.

Wohin führt uns die Reise?

Jetzt haben wir uns nach etlichen Monaten und vielen zermürbenden Gedanken dazu durchgerungen dieses Abenteuer zu wagen und nun bleibt es vorerst fraglich, ob sich diese Tür tatsächlich für uns öffnen wird. Das ist ein bisschen wie damals, als ich gerne einen zweiten Nestling wollte, aber noch abwarten musste, bis der Schwangerschaftstest etwas anzeigt. Das kann ich nicht sonderlich gut, denn ich bin ungeduldig und mag keine Ungewissheit.

Aber indem ich aufgeregt meckere, beschleunige ich weder die Erstellung der Referenzen noch die anschließende Bearbeitung unseres Antrages. Es nützt uns auch nichts, uns den Kopf über Eventualitäten zu zerbrechen und uns zu sorgen, obwohl wir am Montag nach dem Anwalts-Gespräch dazu tendierten. Ich erörterte beispielsweise warum ich mir das Frühjahr 2017 als idealen Ausreisezeitpunkt vorstelle – weder früher noch später in die Staaten möchte – und Thomas meinte nur „Ich habe noch nie einen Haushalt aufgelöst!“ Wir begannen Dinge zu planen, von denen wir nicht wussten, ob sie überhaupt geplant werden müssen und hielten inne, als wir es bemerkten.

Sich Sorgen zu machen ist wie im Schaukelstuhl zu sitzen.
Es beschäftigt einen, bringt einen aber nirgendwo hin.
(Glenn Turner)

Ein Schritt nach dem anderen

Im Moment müssen wir uns lediglich auf die Beantragung des Visums konzentrieren, was mehr als genug Arbeit ist. Falls wir es tatsächlich erhalten, können wir immer noch in Panik ausbrechen, werden sich für die nächsten, anstehenden Schritte zu gegebener Zeit Lösungen finden. Und falls uns ein Leben in Amerika verwehrt bleibt, dann werden uns damit eben Weichen gestellt, die uns in eine andere Richtung lenken. Auch okay.

Gefühlschaos. Völlig normal!

Ebenfalls okay, aber gewöhnungsbedürftig ist mein aktuelles Gefühlschaos, wenn wir über das Auswandern reden. Als Thomas erzählte, dass die Anwältin seinen Fall als machbar einstuft, klopfte mein Herz. Wir in New York? Mir wurde ganz heiß vor Aufregung… Als er jedoch die 50-prozentige Chance erwähnte, spürte ich plötzlich so etwas wie eine innere Enttäuschung. Sollte es nun doch nicht klappen? Ich war fast traurig…

Das Leben nehmen wie es kommt

Aber ich versuche unsere Zwischenstation jetzt einfach mal etwas rationaler zu betrachten und als Einladung der Dinge zu harren – ist schließlich eine Übungsfrage. Nichts ist sinnvoller als abzuwarten, was die Zukunft für uns bereit. Geht alles genau so weiter geht wie bisher oder stellt sich unser komplettes Leben vielleicht in Kürze auf den Kopf? So eine ungewisse Zukunft ist ja durchaus auch spannend 🙂

Das einzige, worauf ich mich jetzt also konzentriere, ist unsere restliche Zeit hier zu genießen und mich auf ein paar schöne Wochen (wie viele es auch sein mögen) in Deutschland einzustellen. Ich bin sehr froh, dass wir noch eine Woche die freundlichen New Yorker und das herrlich warme Sommerwetter genießen dürfen, denn diese Kombination werde ich wohl am meisten vermissen. Aber ich freue mich auch auf zu Hause – auf unser riesiges und so gemütliches Familienbett, auf unsere Fahrräder, die gemeinsamen Reitstunden mit der Großen und natürlich das Quatschen mit meinen liebsten Mädels.

Ergänzung

Für alle, die nicht mitbekommen haben, warum wir das Visum beantragen, hier die wichtigsten drei Artikel der letzten Wochen zu dem Thema:

Mit der ganzen Familie nach New York! Für immer?

Die ersten Tage in New York: Kein Glitzerstaub und keine Euphorie

New York: We can make it there, because we’ll make it anywhere

Eure Kathrin

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